Ein Tag im Leben von Xyz
Viele von Euch wissen, dass ich seit September 2024 an der Fotoakademie Köln bin. Immer wieder werde ich gefragt: „Was macht man da eigentlich? Was lernt man, und wie sehr kann man da noch sein eigenes Ding machen?“ Um Euch einen kleinen Einblick zu geben, möchte ich heute einen Auftrag vorstellen, den ich kürzlich bearbeitet habe.
Zu Begin eines Semesters bekommt man einen Stapel Arbeitsaufträge die man bis zum Ende des Semesters abarbeitet und zu festgelegten Terminen immer wieder vorlegt und zusammen mit den Dozenten und Kommilitonen bespricht.
Ich nehme Euch mit in diesen Prozess – wie so ein Auftrag in der Praxis aussieht und welche learnings ich daraus ziehe.
Ich werde hier keine Inhalte der Akademie reinkopieren, aber in etwa so zieht das ganze aus:
Ein Tag im Leben von Xyz
Die Serie soll eine Geschichte erzählen und dramaturgisch durchdacht sein. Wähle bewusst zwischen dokumentarischem oder inszenierendem Ansatz. Überlege, welche erzählerischen Elemente wie Eröffnungsbild, Szenenwechsel oder Schlusspointe deine Geschichte spannend und zusammenhängend machen. Nutze visuelle Andeutungen oder Lücken („Rinnsteine“) zwischen den Bildern, um die Fantasie der Betrachter*innen anzuregen.
Erstelle eine fotografische Serie, die einen Tag im Leben von „Xyz“ dokumentiert oder inszeniert. Dabei kann „Xyz“ eine Person, ein Gegenstand oder ein Konzept sein. Entscheide, ob du Xyz von außen betrachtest oder aus seiner/ihrer Perspektive fotografierst.
Klingt erstmal simpel, oder? Aber dahinter steckt viel mehr – von der Idee über die Umsetzung bis zur finalen Bildauswahl. Ob es eine Person ist, ein Gegenstand oder ein abstraktes Konzept, jede Entscheidung formt die Geschichte, die wir mit unseren Bildern erzählen.
Für mich war eigentlich klar, dass ich eine Reportage in 5- 10 Bildern fotografieren möchte.
Meine erste Idee war es einen Obdachlosen zu begleiten. Es gab auch einen Kontakt der leider einen Tag vor dem geplanten Shooting abriss. Obdachlose sind irgendwie gar nicht so zuverlässig wie man immer denkt…
Da ich sowas schon befürchtet hatte war mein Plan B eine junge Mutter zu begleiten. Die konnte sich nicht so richtig dafür erwärmen, insbesondere, da sie gerade in einer Übergangsphase in eine neue Wohnung steckte…
Die Lösung meiner Sorgen hatte ich einige Wochen vorher bei einem Shooting kennen gelernt:
Davina ist nicht nur eine kreative Seele und spannendes Alternative-Model, sondern hauptberuflich Camgirl. Und weil sie ein echtes Goldstück ist erklärte sie sich bereit mich einen Tag lang ihren Alltag dokumentieren zu lassen.
Im Folgenden habe ich die erste Bilder der ersten Besprechungsrunde aufgeführt und jeweils meine Idee und das Feedback dazu:
Bild
Meine Überlegung
Kritik
Warmes Licht, vgl. Morgenröte suggeriert den Beginn des Tages, gemütliche Kleidung, Kaffetasse auf dem Tisch zeigen einen Start in den Tag
Überbelichtung im vorderen Bereich, Blick von oben würde den Inhalt der Tassen zeigen und den Frühstückscharakter betonen.
Empfehlung: Nacharbeiten für ein stärkeres Eingangsbild
Alltagsroutine als Privatperson
ok
ggf. enger schneiden
Verwandlung von Privatperson in Darstellerin
ok
Erster Blick auf die öffentliche Person, Transformation zeigen
streichen, man sieht die „fertige“ Person noch oft genug
Alltagsroutine Gassirunde
ok
Alltagsroutine Alternative
streichen,erste Version ist besser
Vorbereitung Arbeitsplatz
ok
Vorbereitung Arbeitsplatz
ok
Bei der Arbeit,
ok
Bei der Arbeit
Zugunsten der dritten „Bei der Arbeit“-Bildes streichen
Bei der Arbeit
Zugunsten der dritten „Bei der Arbeit“-Bildes streichen
Bei der Arbeit
ok
Vorbereitung Arbeitsplatz
Zugunsten der dritten „Bei der Arbeit“-Bildes streichen
Totale mit Blick auf Realität. Kabel werden behelfsmäßig verlegt, etc.
Kontrast zum Bild der Zuschauer
Besser streichen weil einzige Voyeurperspektive, keine Konsistente Serie
Duschen nach getaner Arbeit
ok
Duschen nach getaner Arbeit
ok, auswählen welches Duschbild
Abendessen vorbereiten
ok
Gemeinsames Abendessen
Zu schwach, die zweite Person könnte jeder sein.
Nachshooten mit mehr Intimität, evtl Begrüßung an der Haustür oder gemeinsam auf der Couch.
Dieser Auftrag hat mir wieder einmal gezeigt, wie wertvoll professionelles Feedback sein kann. Durch die Rückmeldungen habe ich neue Möglichkeiten und Ansätze entdeckt, die mir vorher gar nicht bewusst waren. Es ist spannend zu sehen, wie viel Potenzial in einer Idee steckt, wenn man sie mit frischem Blick betrachtet.
Für diesen Auftrag habe ich versucht, den Alltag eines Camgirls einzufangen – eine Perspektive, die für viele nicht alltäglich ist und oft mit Vorurteilen behaftet wird. Mein Ziel war es, den Menschen hinter dem Beruf zu zeigen, mit all seinen echten Momenten und Facetten.
Es war spannend, eine Geschichte zu erzählen, die viele nicht kennen oder falsch verstehen. Dabei habe ich gelernt, wie wichtig es ist, sich unvoreingenommen auf ein Thema einzulassen und mit den Bildern eine Brücke zu schlagen, die Verständnis und Empathie fördert.
Was ich an der Akademie besonders schätze, ist die Offenheit der Aufgaben. Die meisten Aufträge sind so flexibel gestaltet, dass ich meinen eigenen Stil und meine Kreativität frei ausleben kann, ohne das Gefühl zu haben, in ein Korsett gezwängt zu werden.
Gleichzeitig fordern sie aber auch, dass ich meine Comfortzone verlasse. Genau das macht diese Weiterbildung so wertvoll – sie bringt mich dazu, Neues zu wagen.
Es ist herausfordernd, aber unglaublich bereichernd!
Euer Feedback ist für mich unglaublich wertvoll – nicht nur, weil mich Eure Meinung interessiert sondern auch, um zu entscheiden, ob Ihr mehr solcher Inhalte über meine Zeit an der Akademie sehen möchtet.
Teilt mir gerne in den Kommentaren mit, was Euch gefallen hat, welche Fragen Ihr habt oder welche Themen Euch besonders interessieren würden.
Ich freue mich auf Eure Rückmeldungen und den Austausch mit Euch!