Allgemein

Von Mensch zu Mensch

Um die #metoo-Debatte ist es in letzter Zeit so ruhig geworden, dass ich doch einigermaßen überrascht war, als Harvey Weinsteins Verurteilung bekannt gegeben wurde. Wirklich hineinfühlen konnte ich mich nie in die Debatte. In die Opferrolle nicht, weil ich als Mann ein verschwindend geringes Risiko erlebe, Opfer sexueller Gewalt zu werden. Und auch die Täterrolle ist für mich so abstrakt und weit weg, dass mir die Motive absolut schleierhaft sind.
Das Arbeiten mit Models konfrontiert mich aber zwangsläufig mit der Thematik. Und je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt um so mehr Selbstverständliches muss man in Frage stellen.

Auf diversen Platformen konnte ich erleben, wie Fotografen sich argwöhnisch über den “Buschfunk” der Models echauffierten. Ich weiß, alle Männer befürchten der nächste Kachelmann zu werden, aber mal ganz realistisch betrachtet ist die Wahrscheinlichkeit verschwindend gering im Vergleich dazu, als Modell von Fotografen angefasst zu werden oder als Frau in der S-Bahn.
Kachelmann wurde letztendlich freigesprochen und die Frau verurteilt. Und auch wenn die Geschichte unglaublich beschämend für ihn war (besonderer Dank gilt hier Frau Schwarzer und der Springerpresse), werden solche Fälle deswegen so bekannt weil sie Einzelfälle sind. Und da es im Grunde eine Beziehungstat der Geliebten war muss wahrscheinlich eine jahrelange Partnerschaft auseinanderklamüstert werden um die Gründe zu finden, über die ich ir hier aber kein Urteil anmaße.

In der Zwischenzeit werden weiterhin Frauen schikaniert und das ist der Bildzeitung wiederum keine Randnotiz wert ist. Insofern ja, ich hoffe Models sprechen untereinander über ihre schlechten Erfahrungen. Mir ist ehrlich gesagt auch piepegal wie datenschutzrechtlich relevant das ist. Und vor allem, ich als Fotograf mache mir da überhaupt keinen Kopf drum, dass mir jemand solche Unterstellungen macht. Warum auch? Kein Hobbymodel hat irgendwelche Gründe an mir Rache zu nehmen, da ich einfach nicht rumgrabbele. Ruhm ist bei mir nicht zu holen und Missverständnisse schließe ich durch klare und (semi)professionelle Sprache aus.

Hier sehe ich bei Fotografen oft das erste Problem. Wenn ich das Wort “Busen” nicht aussprechen kann wenn eine Frau im Raum ist, sollte ich mich auf Landschaften konzentrieren. Wenn ich unsicher bin, was hält mich davon ab, das dem Model so mitzuteilen?

“Du hör mal, für mich ist es das erste mal, dass ich einen Akt fotografiere. Wenn ich also etwas Dummes sage kann es an meiner Nervosität liegen. Wenn du mir dann einen Hinweis gibst würde mir das sehr helfen.”

Warum fürchten sich Fotografen davor? Ist das irgend so ein Macho-Ding, dass ich nicht verstehe?

Ich habe mich auf Shootings schon flach auf dem Boden liegend wiedergefunden, ein nacktes Model breitbeinig über mir. Jetzt sollte ich auch noch die 2 Sekunden haben, dem Model zu erklären:

“Ich fokussiere auf dein Gesicht, alles unterhalb des Ellbogens wird unscharf sein. Also keine Angst, ich knipse dir hier nicht voll in dein Schmuckkästchen.”

Einfache Ansage, alle kichern, niemand muss Angst haben. Damit unterstütze ich meine Aussagen mit denen ich Shootings immer beginne, nämlich, dass ich beim Shooting niemanden berühren werde, ausser ich werde um Hilfe gebeten. Dass man bei sich bei so einem Shooting recht nah kommen kann, besonders wenn man mit 35mm auf einem Bett arbeitet und sobald es unangenehm wird ein einfaches Kopf-wegdrehen für mich das Zeichen ist in meine Ringecke zu verschwinden.

Ich versuche damit meinen Models, besonders den weiblichen, eine Abkürzung für den so-sollte-es-sein-Weg zu ermöglichen. Klar sollte jede erwachsene Frau in der Lage sein sich zu artikulieren und damit Grenzen aufzuzeigen die es einzuhalten gilt. Und bei einer 45-jährigen berufstätigen Mutter zweier Kinder werden sich Hemmschwellen auch viel schneller abbauen als bei jungen, unsicheren und unerfahrenen Personen. Aber wer von sich selbst behaupten kann mit 18 Jahren bereits selbstsicher mit Konfliktsituationen umgehen zu können, dem muss ich tiefsten Respekt zollen. Wer nackt vor Fremden souverän seinen Standpunkt vertreten kann, mit demwürde ich gerne mal ein Interview führen.
Bis heute treffe ich in meinem beruflichen Umfeld gestandene Menschen  die mir in kritischen Diskussionen nicht in die Augen schauen können.

Versteht mich bitte richtig! Mich kotzt es auch an, dass Männer zuallererst mal als Bedrohung wahrgenommen werden. Aber das ist eben aus gutem Grund so und es schränkt mich ein; als Fotograf, und als Mensch allgemein.

Treffen mit Fotografen allein in der Wohnung, Lost Places etc. ist halt einfach eine bedrohliche Situation. Besonders, und das vergessen viele, wenn mein Gegenüber einen Kopf größer und 30 kg schwerer ist. Fast alle Frauen auf diesem Planeten müssen zu uns Männern aufschauen. Der allergrößte Teil der Frauen ist dem allergrößten Teil der Männer physisch unterlegen. Und so selbstverständlich das für uns Männer ist, so selbstverständlich sollte sein, dass das für Frauen nicht vertrauensbildend sein kann.
Und so werde ich aus gutem Grund erstmal von oben bis unten abgecheckt ob ich ein Creep oder eine Bedrohung bin, obwohl ich mich echt ungern abchecken lasse.

Wenn man aber, anstatt zu versuchen diese Muster proaktiv zu durchbrechen, stoisch in den Selbstverteidigungsmodus übergeht und jammert wie schlimm all diese falschen Anschuldigungen gegen Männer sind, die natürlich entstandenen Sicherheitsvorkehrungen der Models kaputtredet und ihnen vorschreibt welche offiziellen Wege sie zu nehmen haben…
Dann werden Models immer weniger Vertrauen haben, immer mehr Sicherheitsvorkehrungen treffen und Shootings immer unlockerer und verkrampfter werden.

Zuallererst könnten wir doch mal aufhören den Models zu erklären wie und wo sie sich schützen müssen, die finden das schon selbst raus, und vor allem wissen sie weit besser welcher Weg der angenehmste ist, sollte tatsächlich was passieren.

Und dann mal überdenken, wie viel Angriffsfläche ich überhaupt biete um irgendwelche Lügen und Rachebewertungen befürchten zu müssen. Ich stelle für mich fest, relativ wenig.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert